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Weisswein oder Rotwein?

Seit sie Naturweine entdeckt haben, berichten uns viele Kunden, dass ihr Weissweinkonsum gestiegen ist. Andere gehen sogar noch weiter und sagen, dass sie nur noch Weisswein trinken. Wir sind fasziniert. Wenn wir diejenigen nicht berücksichtigen, die Rotwein verbannt haben, weil er an einem Abend die Zähne etwas abfärbt oder weil er ein wenig mehr Kalorien hat, bleiben diejenigen übrig, die Weisswein wegen seines Geschmacks bevorzugen.

Generell bringt es nicht viel über verschiedene Geschmäcker zu diskutieren. Aber was uns interessiert ist, wieso die Entdeckung von Naturweinen oft zu einer Wiederentdeckung von Weissweinen führt. Also, stürzen wir uns in eine Gelehrtendiskussion über diese Frage.

„Ich stelle die Weissweine an die Spitze aller Weine“

In seinem 1861 erschienenen Buch “ Culture de la vigne et vinification “ schrieb Jules Guyot (freie Übersetzung): „Ich stelle die Weissweine an die Spitze aller Weine: 1° weil sie das Ergebnis der Gärung des reinen Traubensaftes sind, der von jeder vinifizierungsfremden Substanz befreit ist; 2° weil sie in höchstem Masse die Qualitäten des Weines, das Bukett, den Geschmack, die nervöse, aktive, herzliche und geistige Anregung geniessen, mit einem Wort, weil sie für andere Weine das sind, was die Jugend für das reife Alter ist; 3° weil ihre Zubereitung die einfachste ist und sie am direktesten aufgebaut sind. »

Und wenn der natürliche Weisswein der letzte Schritt auf der Suche nach Reinheit wäre?

Fermentierter Traubensaft und nichts Anderes

Der Saft der weissen und roten Trauben ist weiss. Mit wenigen Ausnahmen ist in der Tat der Saft aller Rebsorten schwarzer, roter, violetter, grauer und weisser Trauben weiss. Woher kommt also die Farbe? Die Farbe ist eine der Folgen der Mazeration, einer Phase im Vinifizierungsprozess, die nur für Rotweine existiert. Unter Mazeration versteht man den Kontakt zwischen Most und den festen Teilen der Ernte, d.h. den Stielen, Schalen und Kernen. Aber die Färbung ist natürlich nicht die einzige Folge dieses Kontakts. In der Tat verändert die Mazeration auch die Zusammensetzung des Weins, da der rot gewordene Wein Elemente enthält, die während dieses Prozesses gelöst werden, wie z.B. Tannine.

Der Unterschied zwischen Weiss- und Rotwein ist also nicht der Rohstoff, sondern die Tatsache, dass zur Herstellung von Rotwein der Saft der Traubenbeeren mit den festen Teilen der Ernte in Berührung kommt. Für die Umwandlung eines zuckerhaltigen Traubensaftes in vergorenen Traubensaft, d.h. in Wein, sind Stiel, Schale und Kerne jedoch nicht notwendig.

Wir können also zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgehen, dass es sich bei Weisswein um vergorenen Traubensaft und bei Rotwein um Traubensaft handelt, der mit den festen Bestandteilen der Ernte vergoren wurde.

Antigone und die wunderschönen Säuren

Nur aus den notwendigen Elementen zusammengesetzt, hätte der natürliche Weisswein etwas Absolutes, etwas der Jugend Eigenes. Wie Antigone wäre er rein und noch nicht durch Kompromisse pervertiert. Er würde sich der Veränderung verweigern und sich in seiner einfachsten Form präsentieren. Nicht umsonst sagt Jules Guyot, dass „Weisswein der beste Maßstab ist, um eine Rebsorte zu schätzen“.

Es ist wahr, dass wir im Bereich der natürlichen Weine gerne über Saft sprechen. Wir suchen ihn, wenn er hinter den Tanninen, dem Holz versteckt ist. Wenn wir eine Auswahl degustieren, erwarten wir einen direkten Saft, Vertikalität. Wir wollen den Schwindel der grossen Abfahrten erleben. Wir sind oft enttäuscht, wenn wir keinen schönen Saft finden, wenn der Rotwein zu stark mazeriert ist, wenn er begonnen hat, unerwünschte, bittere, adstringierende Elemente zu zeigen, wie ein Tee, den wir zu lange haben ziehen lassen.

Und jetzt reden wir wieder über Spannung.  In der Tat, wer unsere Auswahl an natürlichen Weinen kennt, weiss um unsere Obsession auf Spannung, auf schöne Säuren. Unserer Meinung nach liegt die Schönheit der Weissweine in ihrer Fähigkeit, grosse Spannung auszudrücken, was Jules Guyot „nervöse, aktive Stimulation“ nennt.

Natürliche Rotweine mit so viel Spannung wie natürliche Weissweine

Wenn es um Naturwein geht, ist es jedoch nicht unbedingt der einfachste Weg, mit Weisswein zu beginnen, gerade wegen seiner Säure. Hat man sich jedoch erst einmal mit den Freuden einer guten Säure versöhnt, kann man oft nicht mehr auf die Vitalität verzichten, die sie den Weinen verleiht. Wir suchen sie dann in allen Weinen. Da sie häufiger in natürlichen Weissweinen oder Pet’Nat vorkommt, würde es erklären, warum wir immer mehr davon konsumieren. Diese Suche nach Spannung kann sich dann auf unsere Präferenzen bei natürlichem Rotwein auswirken. So sehr, dass wir nach ein paar Jahren spontan nach natürlichen Rotweinen suchen, die ein bisschen wie natürliche Weissweine schmecken…

 

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